EO - ein Film zum WEGschauen

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"Ein Film für Esel Fans" empfahl mir die Dame für Kommunikation & Marketing vom Filmfest Hamburg per Email. Sie wolle mich auf den Film "EO" des polnischen Regisseurs Jerzy Skolimowski aufmerksam machen, der beim Filmfestival in Cannes 2022 uraufgeführt und mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet wurde. Im nächsten Jahr soll der Film beim Filmwettbewerb um einen Oscar als Auslandsfilm für Polen starten. Ich möge doch für diesen besonderen Film auf meinen Sozial-Media-Kanälen werben.

 

Der Regisseur und Drehbuchautor hat sich vom Film "Zum Beispiel Balthasar" aus dem Jahre 1966 inspirieren lassen. Darin wird der Lebensweg des Esels Balthasar vom Fohlen bis zum seinem Tod inmitten einer Schafherde erzählt, wo er an einer Schusswunde stirbt. Dieser Film ist bei YouTube zu finden und für mich als Eselliebhaber nur schwer zu ertragen. Auch der Ausschnitt zu EO, ebenfalls bei YouTube zu finden unter "EO Trailer 2022", zeigt verstörende Bilder. Die Vorlage ließ nichts gutes ahnen; weder wollte ich für diesen Film werben noch ihn anschauen. Letztendlich bin ich doch zur Deutschlandpremiere gegangen, um mir ein eigenes Bild vom Gesamtwerk zu machen. Hier meine Rezension des Films, der in Originalsprache mit deutschen Untertiteln gezeigt wurde; was nicht weiter schlimm ist, da der Film ohnehin fast ohne Dialoge auskommt. Zudem entspricht dies ja auch der Wahrnehmung aus Eselsicht, die sicher nicht alles wörtlich verstehen, was Menschen erzählen und eher die Tonlage mit dem Geschehen verbinden.

 

Blumig wird in der Ankündigung beschrieben: "Die Welt ist ein geheimnisvoller Ort, betrachtet aus den Augen eines Esels". Tatsächlich steht der Esel EO, eigentlich IA, was auf Polnisch aber eher nach E-O klingt, als Protagonist im Mittelpunkt des im Form einer Parabel dargestellten Lebenswegs. Erzählerische Szenen mit zum Teil gewalttätigen Bildern wechseln in loser Reihenfolge und zum Teil ohne direkten Bezug mit geradezu albtraumhaften Sequenzen ab, die zum Teil in grellen Farben und mit kaum auszuhaltenden Klangkollagen die Erzählebene ergänzen.

 

Zu Beginn des Films liegt der Esel, schwer atmend und von seiner Dompteuse getröstet, im surreal flackernden Rotlicht am Boden. Der Anfang des Films nimmt gleichsam das Ende des Esels vorweg. EO lebt in einem Zirkus und tritt dort in einer kleinen Nummer auf, die aber nicht näher gezeigt wird. Tagsüber wird er zur Arbeit als Zugtier gezwungen; bis grotesk schreiende Tierschützer dafür sorgen, dass dem Zirkus alle Tier abgenommen werden. So beginnt EOs Odyssee über einige Stationen mit guten und schlechten Erlebnissen, mit freundlichen aber auch bösartigen Menschen.

 

Auf einem Reiterhof wird er beim Mistabfahren geschlagen, auf einem Eselhof gehalten, in der tiergestützten Arbeit eingesetzt, bricht aus und läuft seiner Dompteuse nach, die ihn besucht hat, gerät im nächtlichen Wald in eine Treibjagd und steht dem sterbenden Wolf bei, wird auf seiner Flucht von der Feuerwehr eingefangen und am Feuerwehrwagen angebunden zu einem Sportplatz gezerrt, als Fußballmaskottchen in einer Kneipe gefeiert und zusammen mit den Fans von gegnerischen Hooligans halb tot geschlagen, in einer Tierklinik aufgegeben, überlebt und muss auf einer Pelztierfarm tote Füchse abfahren.

 

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Zwischen diesen realen Szenen läuft EO durch einen nicht endenden Tunnel, gleichsam ohne Ausweg durch sein Leben. Unter Rotlichtlampen erleidet er seine Qualen wie in einer Hölle. Extreme Nahaufnahmen des Esels, anderer Tiere und Insekten wechseln sich mit rasend schnellen Kamerafahrten durch die Natur ab und unterstreichen EOs Leidensweg.

 

In den Filmbeschreibungen heißt es: "Stoisch erträgt das sensible und missverstandene Tier sein Schicksal – doch zu keiner Sekunde verliert es seine Unschuld". Eselkenner wissen es besser. Wenn der Esel nicht mehr fressen mag und keine Möhren aus der Hand der Menschen nimmt, sich abwendet und keinen Kontakt mehr sucht, ist das eine deutliche Aussage. Seine Unschuld verliert EO, als er einen seiner Peiniger tödlich tritt.

 

Als Konsequenz wird er mit einem Pferdetransport tagelang über die Alpen zum Schlachten gefahren. Bei einem Halt auf dem Rastplatz wird dem LKW-Fahrer der Hals durchgeschnitten; gezeigt in einer Halbtotalen, in der das Blut durch das Fahrerhaus spritzt. Während die Pferde auf dem Parkplatz auf ihr Schicksal warten, beginnt die letzte und stärkste Episode der Parabel. EO wird von einem jungen Mann losgebunden und mit dem biblischen Versprechen "Ich bringe dich in das Haus meines Vaters" mitgenommen.

 

Die Reise endet auf einem prächtigen Landsitz, wo EO in einem paradiesischen Park grasen darf. Die Patriarchin, die bei der Ankunft eher spöttisch einen Pfarrer bei dessen unbeholfenen Versuch beobachtet, in einem Abendmahlritual um Vergebung zu beten, eröffnet dem heimkehrenden Schwiegersohn, dass sein (himmlischer) Vater verstorben sei und dass er angesichts seiner Vergehen nichts mehr zu erwarten habe. Das Tor vom Paradies öffnet sich und EO macht sich auf seine letzte Reise. Auf einer Brücke steht er vor einer Staumauer, bei der alle Schleusen geöffnet sind und das tobende Wasser alles zu verschlingen scheint. In der letzten Filmszene wird EO zusammen mit einer schier endlosen Reihe von Schlachtvieh in eine schwarze Toröffnung getrieben. Der Film endet mit dem Geräusch eines Bolzenschussgeräts.

 

Fazit: Ich bin kein Cineast, die künstlerische Bewertung dieses bildgewaltigen Experimentalfilms überlasse ich dem fachkundigen Publikum und den Filmkritikern. Ich verstehe die Aussage und begrüße die Anklage von Tierquälereien, Ausbeutung der Natur und auch zum Umgang der Menschen untereinander. Für mich ist dieses Werk aber kein Film für Eselliebhaber, schon gar nicht ein schöner Weihnachtsfilm für die ganze Familie. Der Kinostart in Deutschland ist für den 22. Dezember angekündigt. Die geplante FSK-Freigabe ab 12 Jahre ist angesichts der zum Teil brutalen Bilder aus meiner Sicht nicht nachvollziehbar. Ich schaue mir den Film kein zweites Mal an.

 

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